AUTOTYPISCHE FARBMISCHUNG
Als junger Student wollte ich meinen damaligen Kunstprofessor mit der Frage provozieren, wozu bildende Kunst eigentlich gut sei. Die Antwort überraschte: »Weist du Wolfgang, das mit der Kunst ist so: Während sich die einen durch Kunst bilden lassen, bleiben andere eben doof. Deshalb heißt es bildende Kunst.« (H.K. Schlegel 1982)
Und tatsächlich, viele Entwicklungen, die wir heute schätzen, gehen auf verrückte Ideen von Künstlern und Querdenkern zurück. So wohl auch der moderne Farbrasterdruck. Es waren Künstler wie Georges Seurat, Giovanni Segantini, Paul Baum und viele andere, die dafür die Grundlage schufen.
Bei der optischen bzw. autotypischen Farbmischung entsteht der Farbeindruck als Summenfarbton im Auge.
Das zusätzliche Schwarz als Tiefe verbessert den Kontrastumfang beim Druck. Auch lassen sich die ohnehin meist ungerasterten, schwarzen Texte so einfacher drucken.
Tatsächlich ist das Ganze etwas komplexer, weil die Druckpunkte unterschiedliche Größen, Raster und Modulationen aufweisen können. Zudem werden im modernen Digitaldruck mehr als nur vier Farben verwendet, was den Druckfarbraum deutlich erweitert. Das Prinzip jedoch basiert auf den Ideen der Maler des Pointillismus, einer bedeutenden Stilrichtung in der Malerei, die in den Jahren zwischen 1889 und 1910 ihre Blütezeit fand. Allen voran Paul Signac der Theoretiker unter den Pointillisten. Signac (1863-1935) beschäftigte sich intensiv mit dem Phänomen der Farbmischung und schrieb bedeutende Werke zur Kunsttheorie. Von ihm stammt der oft missbräuchlich zitierte Ausspruch: „Es ist keine Frage von Talent, sondern von Technik.“ Die von Signac entwickelte Farblichtmalerei ist eine auf dem Simultankontrast von Bunttönen beruhende Maltechnik, bei er die Farben nicht aufgemalt, sondern aufgetupft werden.
„Verschiedentonige, leuchtende Farbpartikel setzte er kontrastreich, beispielsweise in der Art der Komplementärfarben oder in starken Hell-dunkel-Stufen, so nebeneinander, dass deren farbiger Gesamteindruck sich erst durch optische Mischung im Auge des Betrachters ergab. Durch diese optische Mischung erhalten die Farben einen nicht fassbaren, immateriellen Charakter. Obgleich die so gemalten Bilder noch ein gegenständliches Motiv zeigen, setzten die Künstler des [Neo]Impressionismus die Farbe schon ganz in ihrer abstrakten, sinnlichen Wirkung ein. Indem sie die Farbflächen in einzelne Punkte auflösten (Pointillismus), erzielten sie eine reine, wie von Licht durchflutete Farbigkeit, die durch herkömmliches Mischen unerreichbar ist.“
Quelle: Raith, W. und Scharf, A. (1999). Ideenbuch der Maltechniken (2.Aufl.). Deutsche Verlags-Anstalt GmbH.
Eine vergleichsweise profane Maltechnik, die diese Erkenntnisse des Neoimpressionismus zunutze macht, ist die Stupftechnik, bei der verschieden Farben nacheinander mit dem Naturschwamm aufgetupft werden. In diesem Beispiel zur Dekoration einer Garderobenwand verwendet. [Bilder aus dem leider vergriffenen Buch „Praxisheft der kreativen Maltechniken“]