Tag und Nacht Grading
Lichtstimmung schaffen ist eine der primären Aufgaben im Color Grading. Allen voran der Eindruck von Tag und Nacht.
Im Film werden Nachtszenen meist in dunklen Türkistönen dargestellt. Das empfinden wir als glaubhaft. Aber warum ist dem so?
Ein Blick in die elektrophysiologischen Vorgänge beim Sehen zeigt, warum:
Beim Tagsehen (photopisches Sehen) liegt die Empfindlichkeit des menschlichen Auges für elektromagnetische Wellen im Bereich zwischen etwa 380 bis 740nm. Am empfindlichsten ist es bei ausreichender Helligkeit im Bereich um 555nm. Das entspricht einem grünen Buntton. Die hieraus gebildete photometrische Normfunktion als CIE 1924 V(λ) – Vau Lambda – zeigt die relative Empfindlichkeit des menschlichen Auges über das gesamte sichtbare Spektrum (rechte Kurve).
Die beiden Kurven symbolisieren wie sich die relative Empfindlichkeit des menschlichen Auges beim photopischen (Tagsehen) bzw. skotopischen Sehen (Nachtsehen) ins Kurzwellige verschiebt.
Unter Wissenschaftlern wird gerne diskutiert, ob die Ergebnisse wirklich repräsentativ sind, denn die Daten stammt von Untersuchungen aus dem Jahr 1924. Damals wurden nur sehr wenige Personen getestet und die Licht- und Messtechnik war bei weitem nicht so ausgereift wie heute. Spätere Versuche bestätigten die Ergebnisse, zeigten aber auch, dass jedes Auge trotz gleicher Rahmenbedingungen individuell anders reagiert und die Größe des zu betrachteten Farbmusters mitzuberücksichtigen ist. Ungeachtet dessen fanden die Darstellung als CIE 1924 V(λ) Einzug ins Normsystem und ist noch heute die Basis aller lichttechnischen Kenngrößen.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich das menschliche Auge je nach Helligkeit unterschiedlich verhält. Das Empfindlichkeits-Maximum verschiebt sich bei Dämmerung ins Bläuliche. Der Scheitelpunkt beim Nachtsehen (skotopische Sehen) liegt dann bei etwa 507nm, was einem türkisgrünen Buntton entspricht. Das bedeutet nicht, dass bei Nacht weiterhin Farben erkannt werden. Vielmehr sind wir in der Dämmerung, im blaugrünen Bereich relativ empfindlicher, weil die Helligkeitseindruck bei schwindendem Licht zunehmend von den Stäbchen und nicht von den farbsensiblen Zapfen bestimmt wird.
Die filmische Adaption: Nacht = Dunkeltürkis bis Dunkelblau ist also stimmig. Nachtszenen, die so koloriert werden, wirken glaubhaft. Doch das ist kein „Muss“, denn koloriert man Nachtszenen ganz unerwartet, z.B. in Rotorange fallen sie den Rezipienten auf und fordert eine Neubewertung. Das kann als dramaturgisches, oder narratives Element durchaus beabsichtigt sein.
Fazit: Es kommt immer auf den Kontext an um das passende Grading zu treffen. Wie sich der Ausdruck einer Nachtszene durch Gegenfarben steigern lässt zeigen wir demnächst in einem Beitrag über „Farb-Dramaturgie im Gamedesign“.
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