DIE AMBIVALENTE FARBSEMIOTIK VON SCHWARZ

Ob Schwarz, Grau und Weiß überhaupt Farben sind, ist eher eine akademische Frage. Denn, obgleich sie weit weniger emotional aufgeladen sind als viele Bunttöne, sind Nichtfarben nicht sprachlos. Besonders Schwarz ist eine machtvolle Farbe voller Symbolik, die eingebunden in Kultur und Mode deutliche Botschaften aussendet. Welche, das ist eine Frage des Kontextes, in dem sie sich zeigt.

Mode in Schwarz – eine ambivalente Farbsemiotik zwischen elegant, sexy und Todessymbol

Warum ist Schwarz eine so zeitlos beliebte Modefarbe, schließlich befinden wir uns ja nicht ständig in Trauer?
Als die Modeschöpferin Coco Chanel im Jahr 1926 das „petite robe noire“ Etuikleid vorstellte, begann der Siegeszug dieser Modefarbe. Bis dahin trugen nur bestimmte Personen wie z.B. Richter und Priester schwarze Roben. Schwarze Kleidung war eine Möglichkeit, sich vom Normalen abzugrenzen. Endgültig, streng, distanziert, würdevoll, anspruchsvoll, emotionslos, sachlich – alles Attribute, die wir mit dieser Kleidungsfarbe verbinden.
Schwarz lässt Formen verschwinden und verringert in der Regel deren Dimension. Schwarz macht schlank und unnahbar. Coco Chanel’s „petite robe noire“ war ein Ausdruck von Unabhängigkeit und Befreiung vom Diktat einer damals patriarchisch dominierten Modewelt. Zudem passt das „kleine Schwarze“ zu vielen Anlässen. Es war zurückhaltend, zeitlos im Schnitt und elegant.
Schwarz ist die Stammestracht der Intellektuellen, witzelt man und tatsächlich in dunkler Kleidung unter Gleichen fällt der/die Einzelne kaum auf, braucht keine Emotionen zu offenbaren und ist weniger persönlich angreifbar. Der Verzicht auf Farbe weist auf rationales Denken hin, betont Sachlichkeit und Funktion.

In der von Peter Jackson geschaffene Kinotrilogie „Der Herr der Ringe“ nach dem gleichnamigen Werk von J. R. R. Tolkien bekämpfen sich Weiß und Schwarz wie Gut und Böse. Das eine braucht das andere in einem immer währenden Kreislauf des Lebens. Einem elementaren Prinzip, das sich in allen Religionen und Philosophien der Welt wiederfindet, ob im Yin und Yang, im indischen Gott Shiva und seiner Partnerin, der schwarzen Kali oder in der christlichen Lichtgestalt Gott und dem pechschwarzen Teufel. Und wer das Ganze lieber naturwissenschaftlich betrachten möchte: im Urknall, dem Anbeginn der Zeit und den schwarzen Löchern, in denen die Zeit zum Stillstand kommt.
So wie Weiß die Farbe des Lichts, der Hoffnung und Wiedergeburt ist, so ist Schwarz die Farbe des Todes und im romanischen Kulturraum die Farbe der Trauer.

Schwarz ist die Nacht. Sobald die Helligkeit schwindet und das Farbensehen verloren geht, fehlen alle Farbinformationen. Vor Urzeiten bedeutete dies Gefahr: Fressfeinde konnten im Dunkeln nicht rechtzeitig erkannt werden, in tiefschwarzer Nacht lauerte der Tod. Diese Ur-Angst steckt von klein auf tief in uns, und so ist es nicht verwunderlich, dass Kinder schwarz als Farbe ablehnen. Das ändert sich in der Pubertät und in Zeiten spätpubertären Trotzverhaltens.
Der Psychologe Max Lüscher, bekannt durch den von ihm im Jahr 1947 entwickelten projektiven Persönlichkeitstest, bemerkte: Menschen, die Schwarz als Lieblingsfarbe nennen, befinden sich in einem psychischen Ausnahmezustand, sind neurotisch, psychotisch oder durch einen Schicksalsschlag traumatisiert.

Aber genug! Bei soviel Düsternis wird einem ganz schwarz vor Augen 😉

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